Leit- und Informationssysteme erfüllen wichtige Aufgaben der Informationsvermittlung. Sie leiten Menschen an unübersichtlichen Orten ans Ziel und geben ihnen an wichtigen Abzweigungen und Weggabelungen weitere Hinweise, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Außerdem sind die meisten Leitsysteme so konzipiert, dass sie zum jeweiligen Zeitpunkt nur relevante Informationen bereitstellen. Betritt man beispielsweise einen Park und wird am Anfang der Parkanlage durch einen Lageplan auf eine Burgruine aufmerksam, findet man auf den Wegweisern schnell die ausgeschilderte Ruine und läuft los. Die Information reicht völlig aus und je näher man kommt, desto mehr Optionen stehen einem offen. Es gibt mehrere Eingänge zur Ruine. Die Leitelemente geben dies im Laufe des Weges an und man entscheidet sich für eine der Routen. Den Nutzenden werden systematisch und themenbezogen Informationen gestellt, die an den gewünschten Stellen relevant sind. Hat man zu jedem Zeitpunkt alle Informationen und Optionen auf einen Blick, kann das schnell unübersichtlich und überfordernd wirken. Man muss beim Betreten des Parks noch nicht wissen, dass die Ruine mehrere Eingänge hat oder dass die Toilette im hinteren Bereich des Parks über zwei oder drei Kabinen verfügt.

In Stresssituationen benötigt man klare Informationen und Anweisungen, ohne irrelevante, für die Situation überflüssige Details. Es kann mitunter ohnehin schon unübersichtlich und chaotisch zugehen, da sollte ein Leitsystem nicht noch weitere Unruhe in die Situation bringen. Leitelemente können durch minimale aber klare Ausweisungen von Zielen einen beruhigenden Pol in hektischen Situationen darstellen. Dieser Vorteil sollte gerade in und nach Krisen und Katastrophen genutzt werden, um Menschen Sicherheit und Orientierung zu geben, in einer Umgebung, in der sie Angst und Hilflosigkeit verspüren.

Ein herkömmliches Leitsystem besteht in der Regel aus mehreren Elementetypen und Aufgabenbereichen. Ein Lageplan oder Sternwegweiser bilden häufig die erste Anlaufstelle für Nutzer: innen. Sie werden als „Quellpunkt“ bezeichnet. Dort erfolgt die erste Orientierung über das vorliegende Gelände und die vorhandenen Ziele. Diese Quellpunkte sind meist an stark frequentierten Orten wie Eingängen, zentralen Plätzen oder an sich kreuzenden Achsen innerhalb der Anlage zu finden. Dort erfolgt eine grobe Übersicht der Ziele und die Navigation beginnt. Hat man sich für ein Ziel entschieden und befindet sich auf dem Weg dorthin, sind am Rand des Pfades weitere Elemente oder Wegweiser, die sicher den Weg zum Ziel leiten. Diese Punkte nennt man „Leitpunkte“. Die sind zwischen Quellpunkten und dem Navigationsziel und leiten Nutzer:innen während ihres Weges. Sie sollten immer einen klaren Weg vorgeben und möglichst ohne Umwege zum Ziel führen. Meist sind diese Informationen an Wegkreuzungen und potenziellen Abbiegungen des Hauptweges zu finden. Erreicht man nach der erfolgreichen Navigation das Ziel, sollte es jeweils mit einem sogenannten „Zielpunkt“ versehen werden. Diese Information beendet die Navigation für die Nutzenden – das Ziel wurde erreicht. Diese Zielkennung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen, sollte allerdings immer deutlich und klar erkennbar sein. Gerade bei unübersichtlichen oder überfüllten Orten sollte die Benennung des Ziels möglichst groß und prägnant erfolgen, sodass eine erfolgreiche Erkennung möglich ist.

Im Falle einer Katastrophe gibt es unterschiedliche Ausgangsszenarien. Nehmen wir für unser Beispiel eine durch Überflutung beschädigte Kleinstadt, dessen Bürgerinnen und Bürger aus Sicherheitsgründen evakuiert werden müssen. Dort wäre der Quellpunkt die Anlaufstelle zur Evakuierung. Dieser Punkt könnte an zentralen Orten wie dem Marktplatz, vor prägnanten Bauwerken wie etwa Kirchen oder Rathäusern, oder auch an Kreuzungsstraßen sein, an denen mehrere Wege zusammenführen.


Das System

Für die Umsetzung eines solchen Systems steht die Modularität und Anpassungsfähigkeit im Vordergrund. Jede Krise ist unterschiedlich und auf jede Situation muss individuell eingegangen werden. Um für solche Fälle ein zuverlässiges System zu entwicklen, muss auch das Leitsystem anpassungsfähig und auf das Ereignis modifizierbar gestaltet sein.

Ein zentraler Teil meiner praktischen Arbeit stellt die Erarbeitung von Lösungsansätzen dar, ein modulares System zu entwickeln, welches sich auf jede Situation individuell anpassen lässt. Außerdem sollte jede Einheit, die dem Katastrophenschutz unterliegt, die Möglichkeit haben ein solches System mitzuführen, beziehungsweise an Ort und Stelle installieren und mit allen nötigen Informationen bestücken zu können.

Für die visuelle Umsetzung meiner Ideen habe ich mehrere Varianten erarbeitet, die durch kleine Unterschiede in der Ausführung verschiedene Aufgabenfelder bedienen. Im Folgenden werde ich mehrere meiner Ideen vorstellen und anhand von Szenarien erläutern.


Entwurf 1 – Korpus mit Würfeln

Als Grundlage des Systems dient ein robuster Korpus. Dieser ist dreidimensional und kann mit Informationen zur Wegeführung bestückt werden. Die Informationsvermittlung erfolgt mithilfe von Piktogrammen und Pfeilen, welche die Richtung des Ziels anzeigen. Die Vorderseite des Korpus ist offen, wodurch der freie Blick auf die Informationen gewährleistet ist. Die nötigen Informationen über Ziele und Anlaufstellen werden durch den Einsatz von Piktogrammen realisiert. Die großflächigen Piktogramme sind auch aus weiter Entfernung im Stadtbild sichtbar und ziehen durch den Einsatz des prägnanten Signalviolett des Katastrophenschutzes die nötige Aufmerksamkeit auf sich. In Kombination mit Pfeilen als Richtungsangaben werden die Informationen klar und direkt vermittelt, ohne das Leitelement mit irrelevanten Informationen zu überfluten. Piktogramme und Pfeile wären bei dieser Variante auf einem dreidimensionalen, quadratischen Grundkörper angebracht. Dieser hat den Vorteil, alle sechs vorhandenen Seiten mit Piktogrammen beschriften zu können und diese je nach Einsatzfall auszurüsten. Somit sind zu jeder Zeit alle Informationen über mögliche Ziele vor Ort und könnten je nach Schadenlage durch Drehen des Würfels auf die jeweilige Seite ausgerüstet werden. Zusätzlich zu den Piktogrammen ist die Umsetzung der Richtungsangaben durch Pfeile mit der gleichen Methode möglich. Durch die Umsetzung des Korpus mit insgesamt sechs einzelnen Quadern ist somit eine Kombination von insgesamt 36 unterschiedlichen Möglichkeiten der Darstellung umsetzbar. Skaliert man die Größe des Korpus auf die Maße von insgesamt 3x4 Quader, finden sogar insgesamt 72 unterschiedliche Symbole auf den Quadern Platz. Der Einsatz des skalierten Korpus ergibt dann Sinn, wenn mehrere Ziele ausgewiesen und von den Nutzer:innen angesteuert werden sollen. Es können je nach Richtung bis zu acht Ziele gleichzeitig auf dem großen Korpus dargestellt und ausgewiesen werden. Auf der kleineren Variante ist der Einsatz von drei Zielen möglich. Um die Sichtbarkeit des Korpus und der Piktogramme weiter zu steigern, kann die Umsetzung durch das Signalviolett zusätzlich mit fluoreszierender Farbe unterstützt werden. Tagsüber kann sich die Farbe aufladen und in der Dämmerung und Nacht ihre Leuchtkraft freisetzen. Gerade in Regionen, in denen nach einer Naturkatastrophe Infrastruktur beschädigt ist und etwa die Versorgung mit Strom ausgefallen oder mangelhaft ist, kann diese Methode helfen, die Sichtbarkeit des Systems zu verstärken.

Zusätzlich zu den Wegweisern können auf dem Weg weitere Elemente installiert werden, die den Betroffenen dabei helfen, problemlos an ihr Ziel zu gelangen. Der subtile Einsatz von kleinen Navigationsfähnchen kann dabei helfen, auf den vorgegebenen Wegen zu bleiben, ohne an jeder Abzweigung erneut große Wegweiser aufstellen zu müssen. Die Fähnchen können durch einen einfachen Stab in nahezu jedem Gelände und auch in zerstörter Infrastruktur befestigt werden. Durch die Umsetzung mit der etablierten Farbe Signalviolett, ist die Verbindung und Einordnung zum Katastrophenschutz ohne weitere Erklärungen klar definiert. Ein weiterer Vorteil für die gute Sichtbarkeit der Fähnchen ist die Bewegung bei aufkommendem Wind. Selbst bei geringen Windböen ist eine Bewegung wahrzunehmen und der Weg somit klarer definiert. Auch hier könnte die Umsetzung mit fluoreszierender Farbe erfolgen, damit die Fähnchen auch bei schlechten Sichtverhältnissen ihre Aufgabe erfüllen können. Zusätzlich ist es möglich, Wege und Abzweigungen, die von den Betroffenen nicht eingeschlagen werden sollen, durch violettfarbenes Absperrband unzugänglich gemacht werden.

Zielpunkte könnten in solchen Krisenfällen Sammelpunkte sein, von denen Betroffene durch Shuttlebusse an sichere Orte transportiert werden. Sollte es die vorhandene Lage zulassen, könnten auch Notunterkünfte angesteuert werden, die der Katastrophenschutz und die Helfenden in der unmittelbaren Umgebung errichtet haben. Diese Unterkünfte bestehen meistens aus leerstehenden Turn- oder Lagerhallen. Sollten keine solchen Orte zur Verfügung stehen oder von ihnen eine akute Gefahr ausgehen, können die Akteure des Katastrophenschutzes auch Zeltunterkünfte errichten, in denen Betroffene die erste Zeit unterkommen können. Die Ausweisung des Zielpunktes ist an Sammelstellen ebenso wie an Notunterkünften deutlich zu kennzeichnen. Doch auch in solchen Hilfseinrichtungen gibt es klare Strukturen und unterschiedliche Anlaufstellen, die für Betroffene hilfreich sein können. Somit sollte eine erneute Ausweisung der vorhandenen Stellen erfolgen. Die unterschiedlichen Bereiche können unter anderem Erste Hilfe, Sanitärbereiche wie Duschen und WCs, Verpflegungsstellen, Aufnahmestellen, Informationsstellen und Verwaltung sein. Die klare Differenzierung der Ziele und Navigation von Personenströmen ist auch hier entscheidend, um traubenartige Ansammlungen und Panik unter den Betroffenen zu vermeiden. Auch hier sollten Zielkennzeichnungen klar und direkt erkennbar sein. Eine Methode der Kennzeichnung sind Banner, die durch große Abbildungen der jeweiligen Piktogramme die Ziele kennzeichnen. Dieses Ergebnis kann durch bedruckte, winddurchlässige PVC-Planen erreicht werden. Diese hat eine Vielzahl kleiner Löcher und gibt Wind somit weniger Angriffsfläche. Zudem ist der Transport und die Lagerung solcher Planen gegenüber stabilen Schildkörpern einfacher und platzsparender.

Die Aufgaben des Katastrophenschutzes in Deutschland werden von verschiedenen Akteuren umgesetzt, die alle unterschiedliche Voraussetzungen erfüllen, was Equipment und Mittel angeht. Um die Umsetzung des Katastrophenschutzes einfacher von der Arbeit der einzelnen Akteure zu differenzieren, empfiehlt sich eine einheitliche visuelle Ausrichtung des Katastrophenschutzes. Um diese nicht nur durch Farben, Schrift und Piktogramme zu erlangen, kann auch die einheitliche Bereitstellung eines Katastrophenschutz- Kit (KatS-Kit) hilfreich sein. Ein solches Kit muss alle nötigen Bestandteile enthalten, um die Umsetzung und Installation eines Notfallleitsystems zu gewährleisten. Durch eine taktisch durchdachte Zusammenstellung der einzelnen Komponenten und der ohnehin platzsparenden Umsetzung des Leitsystem-Korpus der Wegweiser, kann jede Einsatzeinheit ein solches Kit mit sich führen und erfolgreich installieren. Die einheitliche Zusammenstellung von Quell-, Leit- und Zielelementen deckt die gesamte Bandbreite eines funktionierenden Leitsystems ab und kann durch die individuelle Anpassung der Korpus-Elemente auf die jeweils vorliegende Situation angepasst werden. Sollte sich zudem an der Komplexität der vorhandenen Orte etwas ändern und eine Zusammensetzung des Systems erfolgen, ist eine Erweiterung durch ein zweites KatS-Kit problemlos und ohne zusätzliche Modifizierungen möglich.

Das System kann jederzeit durch weitere Quader ergänzt werden, die weitere Sinne ansprechen und zusätzliche Aufgaben erfüllen können. So könnte etwa ein Soundmodul integriert werden, das Warnmeldungen direkt vor Ort abspielt. Durch integrierte, aufladbare Akkus ist das Modul nicht an eine externe Stromversorgung gebunden und kann ortsunabhängig eingesetzt werden. Dem gleichen Schema kann ein Lichtmodul folgen, das durch einen Akku Lichtsignale in Form von Warnleuchten an seine Umgebung abgibt. Dies ist für zusätzliche Verbesserung der Sichtbarkeit bei schlechten Wetterverhältnissen und Dunkelheit von Vorteil. Zudem kann ein LED-Panel für individuelle Warnmeldungen oder kurze Mitteilungen genutzt werden. Dieses Modul kann, zum Vorteil besserer Lesbarkeit, dem Raster des einzelnen Quaders entspringen und zu einer Reihe von bis zu drei aneinandergereihten Quadern kombiniert werden. Durch eine individuelle Programmierung und eine kabellose Steuerung kann das Modul somit für dringliche Mitteilungen vor Ort genutzt werden. Der Erweiterung des Modulsystems sind nur wenige Grenzen gesetzt, solange die Außenmaße der Quader nicht überschritten werden, was die Langlebigkeit und Adaption des Systems weiter gewährleistet.

Das hier vorgestellte Leitsystem ist so konzipiert, dass auch andere Bereiche wie etwa Fluchtbewegungen oder Großveranstaltungen damit bewältigt werden können. Nehmen wir das Beispiel eines Flüchtlingsstroms, wie 2022 während des Starts des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine geschehen. Damals kamen täglich hunderte Geflüchtete am Berliner Hauptbahnhof an und wurden durch notdürftig installierte Pfeile zum Ankunftszentrum auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofes geleitet. Von dort wurden sie in die unterschiedlichen Bereichen der Erstaufnahmestelle, Erste Hilfe, Verpflegung, Sanitär und schließlich zu den Verteilerstellen in andere Bereiche der Stadt gebracht. Auch für solche Situationen ist das modulare Leitsystem durch seine Individualität und Anpassungsfähigkeit perfekt geeignet. Durch die einheitliche Farbe, eindeutigen Piktogramme, aber auch durch den Einsatz von Schrift in der jeweiligen Sprache, kann die Orientierung für Geflüchtete deutlich verbessert und vereinheitlicht werden. Auch die Navigation innerhalb der Erstaufnahmestellen kann somit gewährleistet werden. Zusätzlich ist das System auf eventuelle Änderungen vorbereitet und kann im Handumdrehen auf die neue Situation angepasst werden. Durch die kompakte und einfache Installation ist es zeitsparend im Einsatz, sollte es schnell installiert oder eine Erweiterung des bereits bestehenden Systems vorgenommen werden.

Es folgt die schematische Darstellung eines Krisenszenarios, welches alle Situationen einer möglichen Navigation darstellt.

Funktion Korpus Leitsystem Kit Leitsystem Elemente Leitsystem Elemente Korpus mit Würfeln Korpus mit Würfeln


Entwurf 2 – Tafel und Plättchen

Mein zweites Konzept folgt ebenfalls dem Grundgedanken der Modularität, Individualität und einfachen Installation. Ein markanter Unterschied zum Korpus-Konzept besteht allerdings durch den Aufbau des Quell- und Leitpunktes. Das zweite Konzept setzt auf ein Stecksystem, das durch unterschiedliche Plättchen die gewünschte Zielnavigation auf einer Platte sichtbar macht. Die Plättchen enthalten auch hier alle relevanten Piktogramme und Richtungsangaben durch Pfeile, diese sind allerdings gegenüber des vorherigen Ansatzes flach und werden aus einem Repertoire an unterschiedlichen Darstellungen, gemäß der benötigten Situation, ausgewählt und angebracht. Befestigt werden sie auf einer dafür vorgesehenen Platte, die auf beiden Seiten bestückt werden kann. Durch ihren Klappmechanismus kann sie platzsparend transportiert werden. Außerdem benötigt sie durch ihren stabilen Stand auf dem Boden kein zusätzliches Ständermaterial und kann so leichter auf- und abgebaut werden. Lediglich eine Beschwerung durch ein Gewicht wie ein Sandsack oder Steine sind notwendig, da die Konstruktion sonst durch starke Winde verschoben werden könnte. Die Platte kann sich durch ihre individuelle Bestückung an die Anzahl der auszuweisenden Ziele anpassen, da sie, anders als das Konzept des Korpus, nicht an ein bestimmtes Raster gebunden ist.

Die verbleibende Navigation erfolgt ähnlich wie bei meinem vorherigen Konzept durch Navigationsfähnchen und großen Zielkennzeichnungen. Auch die Sichtbarkeit bleibt durch die prägnante Signalfarbe und die fluoreszierenden Eigenschaften vorhanden. Einen weiteren Vorteil sehe ich in der platzsparenden Unterbringung der Tafeln, im Gegenteil zu den voluminösen Korpussen. Im folgenden wird auch für diese Variante der Anwendungseinsatz deutlich.

Beispielszenario Sammelpunkt Beispielszenario Notunterkunft