Um die Sichtbarkeit des Katastrophenschutzes zu stärken, können Ansätze eines neuen visuellen Erscheinungsbildes helfen. Durch meine vorherigen Analysen konnte ich mehrere Punkte herausarbeiten, deren Überarbeitung und Nachbesserung zu Gunsten der Betroffenen wären.
Signalviolett Auszeichnungsfarbe des Katastrophenschutzes
Ein immer wiederkehrender Punkt meiner Recherche ist die Ähnlichkeit von Absperrungen und Warnhinweisen gegenüber herkömmlichen Baumaßnahmen im Stadtraum. Um diesem Effekt entgegenzuwirken und eine gleichwertige Sichtbarkeit wie bei Feuerwehr oder Polizei erzielen zu können, muss eine aussagekräftige und vor allem klar erkennbare visuelle Sprache etabliert werden. Mein Vorschlag ist eine übergreifende, auffallende Farbe, die von allen Akteuren des Katastrophenschutzes genutzt wird. Signalfarben sind klar definierte Farben, die einen möglichst hohen Signalwert erreichen. Sie eignen sich besonders gut, um aus der Masse der umliegenden Farben hervorzustechen und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. RAL hat einige Signalfarben ausgewiesen, die bestimmte Bereiche wie der Feuerwehr oder Warnungsstufen zuzuschreiben sind. Diese dürfen nur von den jeweiligen Akteuren genutzt werden, um die Farbe im Notfall klar zu erkennen und unterscheiden zu können. Eine Signalfarbe, der noch keine spezifische Aufgabe zugeordnet wurde, ist das „Signalviolett“. Sie dient meinem Entwurf als visuelle Farbe des Katastrophenschutzes. Durch ihren eigenen Farbcharakter und ihre Einzigartigkeit sorgt sie für Aufmerksamkeit und Präsenz. Wird das Signalviolett nun in allen Aufgabenbereichen des Katastrophenschutzes verwendet, bildet es zusätzlich einen gewissen Wiedererkennungswert für die Bevölkerung und entsprechende Einsätze und Maßnahmen werden direkt mit dem Katastrophenschutz in Verbindung gebracht. So wirkt sich die Signalfarbe positiv auf den gesamten Bereich des Katastrophenschutzes aus und stärkt zusätzlich die Präsenz und Wahrnehmung im Einsatz. Sind im Ernstfall Straßen und Wege durch eine uns ungewohnte und im Alltag kaum antreffende Farbe abgesperrt oder gekennzeichnet, so kann die neue Situation schwerer einschätzen und sind nicht so einfach gewillt, die Absperrung zu überwinden. Durch die neue Farbe entsteht eine ungewohnte Situation, zu der wir keine bereits durchlebte Referenz aus unserem Alltag haben. Dies schreckt im ersten Moment ab und hält Personen womöglich eher ab die errichteten Barrikaden nicht zu überwinden und sich nicht in Gefahr zu begeben.
Eine einheitliche Typografische Ausrichtung
Schrift begegnet uns auf nahezu allen Produkten und vermittelt auf teils subtile Art und Weise Werte und Eigenschaften eines Unternehmen oder einer Marke. Zusätzlich unterstützt und stärkt eine gute Schriftwahl die Charakterzüge eines Produktes. In vielen Fällen erkennt man Unternehmen sogar nur an wenigen Buchstaben, wenn diese ohne Zusammenhang der Marke begegnen. Einige bekannte Beispiele dazu sind: IKEA, Coca-Cola, Disney und Nasa. Sie prägen eine Marke maßgeblich und haben einen großen Einfluss auf Wiedererkennung und eine positive Assoziation.
Auch der Katastrophenschutz kann von solchen positiven Konnotationen profitieren. Zusätzlich stärkt eine einheitliche Schrift, genau wie eine einheitliche Farbwahl, die Wahrnehmung und Außendarstellung des Katastrophenschutzes. Die Wahl der Schrift basiert allerdings, im Gegensatz zu Marken, nicht unbedingt nur auf ästhetischen Eigenschaften. Vielmehr muss eine passende Schrift für den Katastrophenschutz die hohen Ansprüche und vielen Anforderungen der diversen Einsatzbereiche erfüllen. Sie sollte möglichst gut lesbar sein und einen neutralen Charakter haben. Zudem sollte sie auch für den Einsatz von interkulturellen Texten oder Auszeichnungen vorbereitet sein. Somit würden Einsätze während unterschiedlicher Flüchtlingsströme oder der Hilfe im Ausland keine Probleme darstellen.
Meine Schriftwahl fiel auf die „Open Sans“. Eine serifenlose, humanistische Font, die von Steve Matteson, einem amerikanischen Schriftgestalter, entwickelt wurde. Sie verfügt über insgesamt 897 einzelne Glyphen und bildet Buchstaben des gesamten lateinischen, griechischen, hebräischen und kyrillischen Alphabets ab. Der Charakter der Open Sans kann als neutral, aber dennoch freundlich interpretiert werden. Seit 2021 verfügt die Schrift außerdem über eine variable Schriftfamilie, was den Einsatzbereich zusätzlich erweitert. Optimiert ist die Open Sans für analoge, sowie digitale Anwendungen. 1
Ein weiterer Vorteil der Open Sans ist ihre kostenfreie Lizenzierung. Dies erleichtert die Nutzung der Schrift und erweitert zugleich den Einsatzbereich. Somit können ohne Bedenken auch Einsätze im Ausland durchgeführt werden, ohne zusätzliche Lizenzen erwerben zu müssen. Außerdem passt sie sich durch ihre schlichte, freundliche Form an die unterschiedlichen Aufgabenbereiche des Katastrophenschutzes an und vermittelt eine klare Formsprache. Die Schrift kann unter anderem auf Hinweisschildern, Informationsmaterial, Bannern und vielem mehr verwendet werden und sorgt zusammen mit dem aussagekräftigen Signalviolett für ein starkes, sicheres Auftreten des Katastrophenschutzes.
Weitere gute Schriften wären etwa die ebenfalls kostenlose „Noto Sans“ und „Inter“, die ähnliche Attribute und Eigenschaften, sowie ein umfangreiches Schriftbild aufweisen wie die Open Sans.
Der Einsatz von Piktogrammen im Katastrophenschutz
Um Informationen schnell und einfach zu vermitteln, sind Piktogramme unumgänglich. Sie zeigen auf einen Blick Funktion, Tätigkeitsfelder oder Hilfsangebote an, ohne den Einsatz von Schrift oder anderen Hilfsmitteln. Das macht sie universell einsetzbar und auch im interkulturellen Kontext verständlich. Piktogramme sind das ideale Mittel auch in Stress- und Krisensituationen Informationen schnell und zielgerichtet zu vermitteln. Egal ob auf Wegweisern, an Zelten der Notunterbringung oder Absperrungen, sie sind universell einsetzbar und lassen die Nutzer:innen immer erkennen wo sie sich befinden und welches Ziel sie gerade ansteuern. Sind Piktogramme im Freizeitkontext zu finden, etwa in Museen, Parks oder Sportanlagen, so sind sie meist der jeweiligen Umgebung angepasst. Auch sie können den Charakter eines Ortes wiedergeben und stärken, aber auch neue Impulse setzen und das Gemeinschaftsgefühl stärken. Dies erreicht man, in dem man eine möglichst breite Nutzer:innenschaft anspricht, etwa durch Miteinbeziehen der kulturellen Eigenschaften der anzutreffenden Besucher:innen. Auch im Katastrophenschutz, beispielsweise bei der Bewältigung von Flüchtlingsströmen können Piktogramme genutzt werden, die auf die Bedürfnisse der einzelnen Personen eingehen. Das „First Aid Kit“ des, in den vorherigen Kapiteln bereits vorgestellte, österreichischen Gestaltungsbüros „buero bauer“ hat unter anderem eine auf die Flüchtlingskrise zugeschnittene Piktogrammfamilie entwickelt, die sich mit der differenzierten Darstellung von Geflüchteten auseinandersetzt. So tragen viele Geflüchtete aus dem islamischen Kontext Kopftücher, die bei westlichen Piktogrammen noch keinen großen Stellenwert einnehmen. Buero bauer konnte die Piktogramme so anpassen, dass die Darstellung einer Frau mit Kopftuch gleichzeitig auch als eine Darstellung einer Frau mit langen Haaren dienen kann. Somit werden weniger Personen bei der Ansprache durch Piktogramme ausgeschlossen, ohne eine Masse an unterschiedlichen Symbolen verwenden zu müssen. Auch bei weiteren Darstellungen wie der Ersten Hilfe, die bei uns klar mit einem Kreuz assoziiert ist, wird sie in islamischen Ländern mit dessen Pendant, dem islamischen Halbmond verbunden, was durchaus zu Irritationen bei einer Beschilderung führen kann. Die Begutachtung solcher Unterschiede kann, gerade im Kontext der Verständlichkeit und Interpretation, starke Vorteile bringen und die Orientierung für Geflüchtete deutlich erleichtern.
Die Anwendungsbereiche im Katastrophenschutz sind sehr divers und breit gestreut, was die Verwendung von bereits entwickelten Piktogrammen erschwert, da die sie oft stark situationsbedingten Symbole nicht akkurat abbilden können. Nichtsdestotrotz kann eine Piktogrammfamilie wie die des First Aid Kit als Grundlage dienen, um weitere spezifischere Piktogramme zu entwickeln. Die Erarbeitung neuer Piktogramme kann aufwändig und je nach Menge auch teuer sein, trotzdem lohnt sich meiner Einschätzung nach eine Erstellung einer solchen umfangreichen Piktogrammkatalog. Diese kann die Arbeit der Einsatzkräfte des Katastrophenschutzes deutlich erleichtern und gleichzeitig für bessere Orientierung und Verständigung sorgen. Dabei steht die neutrale und klare Gestaltung der Piktogramme im Vordergrund, nur so können die unterstützenden Ziele kompromisslos erreicht werden.
In den folgenden Darstellungen werde ich zur besseren Visualisierung meines Erscheinungsbildes auf die Piktogramme des First Aid Kit zurückgreifen, die zur kostenlosen Nutzung zur Verfügung stehen. Eine professionell gestaltete Piktogrammfamilie bedarf viel Fingerspitzengefühl, Arbeit und vor allem detaillierte Absprachen mit Beteiligten. Eine etwaige spätere Umsetzung muss mit den Akteuren und dem Gestaltungsteam in einem andauernden Prozess detailliert begleitet werden.
Weitere Gestaltungsmittel
Um die Neuausrichtung des Katastrophenschutzes und dessen Wiedererkennungswert weiter zu stärken, können zusätzliche Maßnahmen ergriffen und weitere Gestaltungsmaßnahmen umgesetzt werden. Hier ein paar Beispiele, die durchaus einen positiven Einfluss auf die Sichtbarkeit und die Verbesserung im Katastrophenschutz haben können.
Bei meiner Recherche wurde ich häufiger auf die Tatsache aufmerksam, dass viele Personen Absperrungen und Verbotszeichen überwinden und missachten und sich so schnell in Gefahr begeben. Ein Mittel, dies zu verhindern ist die Neuausrichtung des Katastrophenschutzes mit der Farbe Signalviolett. Eine weitere, zusätzliche Unterstützung könnte die Einführung sogenannter mobiler Sichtschutzwände sein. Diese könnten Straßen, Bereiche und Plätze vor neugierigen Blicken Schaulustiger schützen und grenzen Gefahren auch visuell von sicheren Orten ab. Durch die blickdichte Ausführung könnten Personen daran gehindert werden, die Situation hinter den Absperrungen falsch einzuschätzen und die Barrikade zu überwinden. Außerdem sind die in Signalviolett gestalteten mobilen Wände ein deutliches Zeichen der Einsatzkräfte und symbolisieren Sicherheit und Präsenz des Katastrophenschutzes vor Ort. Dennoch wären Zufahrten für Einsatzkräfte mit Fahrzeugen und Räumungsgerät möglich, da die mobilen Sichtschutzwänden ohne großen Aufwand abgebaut oder neu positioniert werden könnten.
Weitere nützliche Hilfsmittel sind Navigationsfähnchen. Diese können durch ihren einfachen Aufbau blitzschnell aufgestellt und installiert werden. Am Ende ihres Stabes ist ein kleines Fähnchen platziert, das durch das Flattern und das auffällige Signalviolett den sicheren Weg weisen kann. Sie dienen als Orientierungspunkte zwischen zwei Wegweisern und bei Hochwasser einen sicheren Weg markieren.
Vgl. Google Fonts: Open Sans, 2024, https://fonts.google.com/specimen/ Open+Sans?preview.text=Die%20Erste%20Hilfe%20befindet%20sich%20im%20 Zelt.&stroke=Sans+Serif ↩︎
Google Fonts: Open Sans, 2024, https://fonts.google.com/specimen/ Open+Sans?preview.text=Die%20Erste%20Hilfe%20befindet%20sich%20im%20 Zelt.&stroke=Sans+Serif ↩︎
buero bauer: First Aid Kit – Opensource Infotool, 2015, https://buerobauer.com/projekte/first-aid-kit/ ↩︎