Stellen wir uns zwei Szenarien vor, die beide den Einsatz von Leitsystemen beschreiben, jedoch könnten die Situationen unterschiedlicher kaum sein.

Stellen Sie sich vor, Sie sind für ein paar Tage in eine andere Stadt gereist und erkunden das dortige Museum. Zu ihrem Ticket bekommen Sie einen Orientierungsplan in Form eines Flyers. Nach dem betreten des Foyers studieren Sie den Plan und suchen sich die Räume aus, zu denen Sie auf jeden Fall gehen möchten. Danach folgt die Orientierung im Raum und Sie schauen nach Wegweisern und Hinweise, die auf die gewünschte Abteilung hinweisen. Auf ihrem Weg kommen Sie an weiteren interessanten Räumen vorbei und Sie entscheiden sich, auch diese in Ruhe anzuschauen. Bis sie zu ihrem Zielraum gelangen, haben Sie schon etliches gesehen. Doch Sie haben ja Zeit, keiner hetzt Sie und die schönen Exponate laden zum staunen einer längst vergangenen Zeit ein.

Ganz anders geht es in systemrelevanten Einrichtungen wie Krankenhäusern zu. Auch hier ein Beispiel:

Sie helfen einem guten Kumpel seine neue Wohnung zu renovieren. Beim sägen ist ihr Kumpel kurz unachtsam und nach dem Schnitt ist nicht nur das Holz kürzer sondern auch der Finger. Sie fahren den Kumpel schnell zum nächsten Krankenhaus und dieser schreit vor Schmerzen. Sie sind gestresst, denn Sie kennen sich in der Stadt nicht gut aus, doch sehen das Krankenhaus langsam näher kommen. Als Sie auf das Gelände einbiegen, sind bereits die ersten Anlaufstellen auf einem großen Schild ausgewiesen. Dort steht gut lesbar „Notaufnahme“. Sie folgen den Wegweisern zu einem separaten Eingang der etwas abseits des normalen Haupteingangs liegt. Voller Adrenalin laufen Sie mit ihrem Freund im Schlepptau ins Foyer. Bereits beim betreten sehen Sie den Weg zur Anmeldung und ihr Freund wird bereits von einer Krankenschwester empfangen.

Diese beiden Beispiele verdeutlichen sehr gut die Einsatzbereiche von Leit- und Orientierungssystemen und deren Aufgabenerfüllung an unterschiedlichen Orten. Laden Leitsysteme in Kultureinrichtungen zum verweilen und entdecken ein, müssen sie in Krankenhäusern klar und auf einen Blick erkennbar sein. Außerdem sind Museen häufig auf homogene Besucherströme ausgelegt und die Navigation erfolgt häufig von einem Raum in den nächsten, ohne zu großen Gegenverkehr. In Krankenhäusern ist das anders. Dort ist allein durch die meist komplexe örtliche Zusammensetzung der Abteilungen und Gebäudeteile eine komplexe und ausführliche Wegeleitung vonnöten. Des Weiteren hat man in einem Krankenhaus in der Regel ein bestimmtes Ziel – eine bevorstehende Behandlung, ein Notfall oder der Besuch von Angehörigen oder Freunden in einem klar definierten Zimmer. Klare Anweisungen und ein direkter Weg zum gewünschten Zielpunkt sind daher notwendig um unnötige Wege und Stress zu vermeiden.

Auch Aspekte wie Codierungen und Nomenklaturen machen einen großen Unterschied aus. In Kultureinrichtungen oder Parkanlagen kann eine Einteilung in unterschiedliche Epochen, Museumsetagen oder Gartenabschnitte eine grobe Einordnung der zu erwartenden Ziele geben. Beim Einsatz in Krankenhäusern unterstützt etwa der Einsatz von Farbe für bestimmte Abteilungen oder Gebäude die Navigation enorm. So können bereits auf dem Parkplatz oder beim betreten des Krankenhauses Informationen gescannt werden. Im Laufe der Navigation zum Zielpunkt können somit unwichtige Informationen zu anderen Abteilungen durch die Unterscheidung anderer Farben ausgeklammert werden. Außerdem ist die Ausweisung von Zielen in Krankenhäusern deutlich anspruchsvoller, da die Zielgruppen der Einrichtungen und deren Besuchsgründe sehr divers sind. Neben Mediziner:innen, Patient:innen und Besucher:innen sind auch Servicepersonal, Zulieferer und weitere nicht-medizinische Personen tagtäglich mit der Navigation auf, in und um das Gelände beschäftigt. Alle haben andere Ansprüche und Ziel, die es in einem gut funktionierenden Leitsystem zu berücksichtigen gilt. Farbe sollte allerdings nicht als einzige Einteilung dienen, sondern immer in Verbindung mit einer weiteren Unterscheidung, etwa durch eine alphabetische, numerische oder textliche Ebene ergänzt werden. So können zum Beispiel Gebäudeteile durch Buchstaben repräsentiert werden und die Ebenen und Zimmer mit immer detaillierteren Zahlenkombinationen ausgewiesen werden. Dabei ist darauf zu achten, die Codierung für die Nutzer: innen zu jedem Zeitpunkt nachvollziehbar zu halten. 1 Bei der Ausweisung von Räumen in Kulturbauten muss nicht zwingend eine genaue Zuordnung zu bestimmten Etagen erfolgen. Die Namen der Räume können dort auch als Mittel zur Einordnung bestimmter Epochen, Künstler:innen oder Erfinder:innen dienen. Hinzukommend steht dort das entdecken und erkunden im Vordergrund. Ist in einem Krankenhaus an jeder Abzweigung das Ziel erneut markiert, ist die Ausweisung von Zielen oder Bereichen in einem Museum viel sporadischer. Gefällt uns ein bestimmtes Gemälde auf dem Weg zu unserem eigentliche Ziel, machen wir kurz einen Abstecher dorthin und gehen danach weiter – schließlich haben wir ja Zeit. Wir nehmen uns geplant Zeit für das Entdecken und erkunden, wohingegen eine Notsituation meist unerwartet und spontan auftritt und wenig Zeit zur Orientierung zulässt.

Bei der Orientierung in der Natur suchen wir uns unterbewusst Hilfsmittel, die uns bei der Navigation helfen. Das können Berge im Hintergrund, die Kirchturmspitze oder markante Landmarks in der Umgebung sein. Diese fixieren wir auf unserem Weg und suchen uns neue Punkte, sollten wir sie aus den Augen verlieren oder sie passieren, bis wir schließlich unser Ziel erreicht haben. Ist jedoch kein Ankerpunkt am Horizont zu erkennen, an dem wir unsere Richtung fixieren können, laufen wir wohl oder übel in Zick-Zack Linien. Dies ist etwa in der Wüste oder auf Hoher See der Fall. Fehlt zusätzlich die Orientierung durch Himmelskörper wie Sonne, Mond oder Sterne, durch einen bedeckten Himmel, dann sind wir Orientierungslos. 2

Heutzutage sind wir häufig mit Verkehrsmitteln wie dem Auto oder der Bahn unterwegs und verlassen uns auf GPS-Navigation durch unser Smartphone. Wir haben zu jedem Zeitpunkt, sofern das Internet mitspielt, Zugang zu Informationen unseres Aufenthaltsortes, können Routen zu unserem Ziel erstellen und uns quasi blind dorthin navigieren lassen. Das alles sorgt dazu, dass wir uns unsere Umgebung häufig nur noch auf Karten einprägen und nicht mehr anhand bestehender Architektonischer Besonderheiten. Da heißt es dann aus dem Smartphone: „In 200 Metern rechts, danach am Kreisverkehr die 2. Ausfahrt nehmen“. Anstatt in unserem Kopf: „Nach der Kirche rechts und am Park gerade aus“. Wir verlernen uns in unserer Umgebung nachhaltig zurechtzufinden und geben immer mehr Sicherheit in die Hände der Technik. Fällt diese dann im Zuge einer Naturkatastrophe aus, sind wir auf unsere persönliche Navigationsfähigkeit gestellt.

In Gefahrensituationen braucht es also genaue Anweisungen und prägnante Schilder oder Landmarks, damit die Navigation und Orientierung reibungslos erfolgen kann und Menschen in solchen Stresssituationen schnell in Sicherheit kommen. Sollten Landmarks durch Einflüsse von Naturkatastrophen wie schlechter Sicht nicht mehr sichtbar sein oder gar komplett zerstört sein, ist die Unterstützung durch externe Einflussfaktoren wie Leitelemente und Einsatzpersonen besonders wichtig.